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TEN MINUTES OLDER -
THE TRUMPET
USA 2002
Regie: Aki Kaurismäki, Victor Erice, Werner Herzog, Jim Jarmusch, Wim Wenders, Spike Lee und Chen Kaige.
Länge: 91 Min.
Filmverleih: Ottfilm / Filmwelt
http://www.filmweltverleih.de
Kinostart: 19.12.2002
In diesem Episodenfilm beschäftigen sich sieben namhafte Regisseure mit dem Thema Zeit. Formal und stilistisch sind die Beiträge recht unterschiedlicher Natur, taugen aber in ihrer Gesamtheit allemal für einen gelungenen Kinoabend.
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Kurzfilme gehören selbst in den Programmkinos nicht gerade zu den Bestsellern. Dies gilt sogar dann, wenn es einem findigen Verleih mal gelingt, eine abendfüllende Kurzfilmrolle zu einem interessanten Thema zusammenzustellen. Und dennoch scheint der Episodenfilm vor einer Renaissance zu stehen. Nach der Kurzfilmkompilation 11‘09‘’01, in der sich elf bekannte Regisseure zum 11. September äußern, kommt nun zu Weihnachten „Ten Minutes Older“ in die Kinos. Auch hier hatte ein Produzent die zündende Idee. Ulrich Felsberg von Road Movies bat sieben Regisseure um einen Kurzfilmbeitrag zum Thema Zeit. Die Spielregeln: Niemand wusste, was der andere dreht und Limit: ten minutes. Auf Nachfrage von Wim Wenders, was genau mit letzterer Auflage gemeint sei, ließ man wissen: Wir nehmen alles unter elf Minuten. Bei der deutschen Uraufführung auf dem Filmfest München schien Wenders dann auch besonders stolz zu sein mit 10 Minuten und 58 Sekunden den definitiv längsten Beitrag gedreht zu haben.
Den Anfang macht Aki Kaurismäkis: Seine Loser-Lovestory, in der der Antiheld die Angebetete überreden will, mit ihm zusammen nach Sibirien zu gehen, um auf den dortigen Ölfeldern neue Arbeit und neues Glück zu finden, ist gewohnt minimalistisch inszeniert und strotzt vor Lakonie.
Victor Enrice, der mit Filmen wie „El Sur“ einmal berühmt geworden ist, meldet sich nach zehnjähriger Filmabstinenz mit einer Episode über den Einmarsch deutscher Truppen ins Franco-Spanien zurück und setzt damit gleich einen künstlerischen Höhepunkt, während sich Werner Herzog dokumentarisch gibt: Er besucht einen Stamm brasilianischer Ureinwohner, die vor zwanzig Jahren entdeckt und quasi aus der Steinzeit gerissen wurden und einen Zivilisationssprung von zehntausend Jahren machen mussten. Enttäuschend dagegen Jim Jarmushs Episode, in der er Chloe Sevigny in ihrem Wohnwagen bei einer zehnmütigen Drehpause beobachtet. Staubtrocken auch Spike Lees Beitrag um die entscheidenden Minuten der Präsidentenwahl zwischen Gore und Bush. Cineastisch nicht sonderlich attraktiv, musste der Film aber schon aus historischen Gründen gedreht werden, sozusagen als Dokument für die Nachwelt.
Wer bis dahin unterhaltende Elemente vermisst, den holt Wim Wenders wieder aus dem Sessel in die Senkrechte. Sein Rennen gegen die Zeit durch die amerikanische Wüste zum nächsten Krankenhaus, wartet mit einem heißen Soundtrack und viel Sinn für Timing auf und setzt Akzente in Sachen Unterhaltung. So ebnet er den Weg zum absoluten Höhepunkt: Chen Kaiges wehmütiges Gleichnis über das sich (zu) schnell verändernde Gesicht Pekings, das von einer ungewöhnlichen visuellen Kraft lebt und uns beinahe euphorisch das Kino verlassen läßt.
Kalle Somnitz
Quelle: http://programmkino.de |
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